MC´s Know-how für Stuttgart 21 - der Fildertunnel

Stuttgart - Deutschland

Das Projekt Stuttgart-Ulm, auch bekannt als Stuttgart 21 (kurz S21), gilt als eines der größten Infrastrukturvorhaben der jüngeren Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Es bindet künftig die Metropolregion in Schwaben an das Hochgeschwindigkeitsnetz „Magistrale für Europa“ an und wird ein wichtiger Knotenpunkt der Nord-Süd- und Ost-West-Verbindung in Mitteleuropa sein. Mit dem Durchbruch des Fildertunnels im September 2019 ging für die Deutsche Bahn, aber auch für die MC und ihre Tunnelspezialisten eine wichtige Phase des Großprojekts erfolgreich zu Ende.
Als die Deutsche Bahn AG mit politischer Prominenz des Landes, des Bundes und der EU sowie allen am Bau Beteiligten nach fünfjähriger Bauzeit symbolisch den Tunneldurchbruch des Fildertunnels am 9. September 2019 feierte, hatte auch das in das Projekt involvierte Team von Tunnelspezialisten der MC allen Grund zum Feiern. Schließlich konnte MC das Know-how ihres Field of Expertise Tunnelling einbringen und ihren Beitrag zum Gelingen des Großprojekts leisten.

 

Ein deutsches Megaprojekt

Mit einem Volumen von rund acht Milliarden Euro wird Stuttgart 21 als Verkehrs- und Städtebauprojekt in naher Zukunft der Neuordnung des Eisenbahnknotens Stuttgart zugutekommen. Mehr als 100 Kilometer neue, schnelle Eisenbahntrassen, drei neue Bahnhöfe und ein intelligentes Konzept setzen künftig neue Maßstäbe im innerdeutschen und europäischen Bahnverkehr. Doch auch die Stadtplanung profitiert in hohem Maße: Etwa ein Quadratkilometer derzeitiger oder ehemaliger Gleisflächen am Rande der Stuttgarter Innenstadt sollen durch das Projekt für die Stadtplanung nutzbar gemacht werden. Die Zentrumsfläche wird damit um rund 40 Prozent erweitert.

 

Bauherrin des Projekts ist die Deutsche Bahn. An der Finanzierung beteiligen sich neben der Deutschen Bahn auch die Bundesrepublik Deutschland, das Land Baden-Württemberg, der Verband Region Stuttgart, die Landeshauptstadt Stuttgart, die Flughafen Stuttgart GmbH sowie die Europäische Union. S21, als Ganzes betrachtet, umfasst im Wesentlichen folgende Teilprojekte: die Tieferlegung des Hauptbahnhofs Stuttgart, den Ausbau des Stuttgarter Schienenrings sowie den Ausbau der Neubaustrecke Stuttgart-Ulm, der mehrere Tunnelbauwerke umfasste. Vor allem bei den beiden letztgenannten Maßnahmen war MC maßgeblich involviert.

 

MCs Know-how im maschinellen Tunnelvortrieb gefragt

Der maschinelle Tunnelvortrieb erfolgte im Segmentausbau, wobei die Tunnelvortriebsmaschine als Schildmaschine mit Vollschnittabbau und Erddruckstützung im „Multi-Mode“ eingesetzt wurde. Dabei war der Fildertunnel nur eines von mehreren maschinell aufgefahrenen Großprojekten mit Beteiligung der MC – daneben standen unter anderem auch der Albvorlandtunnel sowie der Boßlertunnel am Albaufstieg auf der Liste. Bei allen genannten Tunnelbauprojekten kamen unterschiedliche Technologien und Produktsysteme der MC zum Einsatz, darunter Spezialprodukte für die Bodenkonditionierung, Fließmittel für die Tübbing-Herstellung, Injektionssysteme für die Injektion im Tunnelinneren und nicht zuletzt eine völlig neuartige, zementfreie Ringraumverfüllung – eine Innovation, die MC zusammen mit der ARGE ATCOST 21 entwickeln durfte.

 

Der maschinell aufgefahrene Fildertunnel ist aufgrund der geologischen Gegebenheiten in einen oberen und einen unteren Abschnitt unterteilt und führt mit einer Überdeckung von 20 bis 220 Metern durch je zwei Tunnelröhren mit einem Durchmesser von 10,87 Metern. Mit einer Gesamtlänge von 9.468 Metern ist er der längste Tunnel des Projekts S21 und wird nach Fertigstellung der längste Doppelröhren-Eisenbahntunnel sowie der drittlängste Tunnel in Deutschland sein.

 

Geologische Herausforderungen

Im Bereich des unteren Fildertunnels tritt im Gebirge ein unausgelaugter Gipskeuper auf, der im Wesentlichen aus einem quellfähigen Anhydrit besteht. Anhydrithaltiges Gestein kommt in einigen Regionen der Erde vor, so auch am Berghang der Filder, der Hochebene im Stuttgarter Süden. Wenn anhydrithaltiges Gestein mit Wasser in Kontakt gerät, kommt es zu einer Volumenvergrößerung von über 60 %. Dabei entstehen enorme Quelldrücke, die den Tunnel sowie das umliegende Gelände heben und später auch zu Beschädigungen an darauf verorteten Gebäuden und Bauteilen führen können. Für den unteren Fildertunnel ist die Tunnelvortriebsmaschine mit einem offenen Schild aufgefahren worden, bei der die wesentliche Kontaktzone zum sensiblen Gipskeuper der Schildmantel, die Schneidwerkzeuge und die Ringspaltmasse waren. Die Anwendung von Wasser in den sensiblen Kontaktzonen war ausdrücklich verboten. Der Schildmantel und die Schneidwerkzeuge waren daher zu vernachlässigen, doch für die Ringspaltmasse forderte die Deutsche Bahn eine individuelle Lösung, um der Gefahr des Aufquellens und der Bodenhebung nachhaltig vorzubeugen.

Blick in den Kopf der Tunnelvortriebsmaschine im Fildertunnel. Foto: DB / Arnim Kilgus
Blick in den Kopf der Tunnelvortriebsmaschine im Fildertunnel. Foto: DB / Arnim Kilgus
© Arnim Kilgus 2024


 

Weltweit einzigartige Lösung für S21 entwickelt

Die mit dem Tunnelbau beauftragte ARGE ATCOST21 wandte sich daher an die MC, mit der man gemeinsam ein spezielles Geopolymer entwickelte. Als Geopolymere werden anorganische Bindemittel bezeichnet, die keinen Zement enthalten und deren Struktur sich auf die Reaktion von Alumosilikaten in alkalischen Medien unter Bildung anorganischer Polymere zurückführen lässt. Die Besonderheit besteht darin, die Vorteile eines 1K-Ringspaltmörtels mit den Vorteilen eines 2K-Ringspaltmörtels durch den flexiblen Einsatz eines Aktivators zu kombinieren. Die Basis ist eine modifizierte 2K-Ringraumverfüllung, die eine nicht-reaktive Ausgangskomponente enthält, die im Wesentlichen mit Hüttensand und Flugasche als Bindemittel in einem Korngerüst vorliegt und erst durch die Vermischung mit einem Aktivator eine verfestigende Reaktion beginnt.

 

Die Ringspaltmasse enthält zudem komplexe Phosphate, die das Lösungsgleichgewicht des Anhydrits so beeinflussen, dass die Quellfähigkeit unterbunden wird. Dieses Phänomen kann durch das Massenwirkungsgesetz beschrieben werden und wurde in Versuchen und Eignungsprüfungen nachgewiesen. Diese weltweit einzigartige Technologie haben MC und PORR Bau GmbH mittlerweile patentieren lassen. Die Systemlösung der neuen Ringspaltmasse heißt MC-Montan Grout AA 03 und bietet optimale Bettungseigenschaften bei gleichzeitiger hoher Sulfatbeständigkeit, die der Tunnelröhre somit eine Dauerhaftigkeit ermöglicht.

 

Im Praxiseinsatz bewährt

Angesichts der hohen Anforderung und der bei S21 allgegenwärtigen medialen Aufmerksamkeit wurden gemeinsam mit ATCOST 21 renommierte Prüfinstitute herangezogen, um die Umsetzbarkeit der vorgeschlagenen Systemlösung wissenschaftlich fundiert zu untersuchen. Das Institut für Bauforschung der RWTH Aachen University (ibac) war im Hinblick auf die mineralogisch-petrografischen Untersuchungen beauftragt worden, um festzustellen, ob mögliche Reaktionen im Ringraum mit dem Anhydrit auftreten können. Das Ingenieurbüro Brameshuber & Uebachs Ingenieure GmbH erstellte anschließend das umwelttechnische Gutachten. Mit dem Lehrstuhl Baustofftechnik der Ruhr-Universität Bochum wurden die materialtechnologischen Aspekte der Ringspaltmasse untersucht, um die baubetriebliche Anwendbarkeit nach dem Stand der Technik zu sichern. Die besondere Sensibilität des Themas wird daran deutlich, dass die Prüfungen insgesamt über zwei Jahre dauerten und erst nach Großversuchen in praxisnaher Umgebung auf der Baustelle erfolgreich abgeschlossen wurden. Anschließend wurde die Systemlösung von Seiten der Deutschen Bahn und den sie beratenden Ingenieuren für den Einsatz bei S21 freigegeben. Die Tunnelbauer konnten sich von den Fähigkeiten der neu entwickelten Ringspaltmasse im laufenden Tunnelbaubetrieb überzeugen und erkannten dabei sehr schnell die enormen Vorteile in der Verarbeitung der modifizierten 2K-Verfüllung. Trotz eines vorhandenen Korngerüsts konnte über eine zusätzliche Mischstrecke die Aktivator-Zugabe vor dem Liseneneintritt erfolgen und die erforderte Raumverfüllung gewährleistet werden. Die Verwendung einer nicht-reaktiven Ausgangskomponente hat den Vorteil, dass die Verarbeitbarkeit bemerkenswert lang ist und dadurch eine größtmögliche Flexibilität in der betrieblichen Anwendung der Ringraumverfüllung im Tunnelbau bietet. Die neue zementfreie Ringspaltmasse bewährte sich beim Megaprojekt S21 so gut, dass sie seither weltweit gefragt ist.

 

Effizienter Vortrieb mit Bodenkonditionierungsmittel der MC

Im oberen Fildertunnel durchörterte die Tunnelvortriebsmaschine entlang der Tunneltrasse größtenteils den Stubensandstein, der über einen hohen Anteil an verklebungsfähigem Ton und Sandstein mit hoher Festigkeit verfügt, was wiederum ein hohes Verschleißpotenzial mit sich bringt. Auf diesem Tunnelteilabschnitt kam eine geschlossene Schildmaschine zum Einsatz, bei der der abgebaute Boden als Stützmedium verwendet wurde, um die Ortsbrust während der Vortriebsarbeiten zu stützen. Das Tunnelvortriebsverfahren basiert auf der EPB-Technologie (Earth Pressure Balance = Erddruckstützung), die insbesondere in schwierigen geologischen Formationen-, sowie in innerstädtischen Bereichen angewandt wird. Als Bodenkonditionierungsmittel kam für alle maschinell aufgefahrenen Tunnel der Neubaustrecke Stuttgart-Ulm die MC-Montan Drive-Produktserie der MC zum Einsatz. Für die effiziente Herstellung eines hochwertigen und beständigen Schaums wurde der Schaumerzeuger MC-Montan Device CT (Cell-Tube) verwendet, der einen wartungsarmen Dauerbetrieb bei effizientem Gebrauch ermöglichte.

 

Das am stärksten verwendete Bodenkonditionierungsmittel war MC-Montan Drive FL 04 (Foamliquid). Es ist ein umweltfreundliches und leicht biologisch abbaubares Schaumkonzentrat mit einem definierten Anteil an Clayadditiv. Das Produkt ist optimal geeignet für die Bodenkonditionierung im EPB-Vortrieb sowie bei Gebirgsverhältnissen mit einem hohen Tonanteil und großer Verklebungsneigung. MC-Montan Drive FL 04 sorgt bei wirtschaftlichen Dosiermengen für eine Vermeidung der Verklebungsneigung bei gleichzeitiger Schmierwirkung durch das Dispergieren der Ton-Mineralien. Das Produkt senkt die Anhaftungen und Verklebungen am Bohrkopf sowie die Energieaufnahme der Vortriebsmaschine und reduziert auch den Verschleiß der Abbauwerkzeuge. Die Bodenkonditionierung der MC konnte auf diese Weise im Fildertunnel die Effizienz im Vortrieb verbessern und die hohen Anforderungen an die Wirtschaftlichkeit erfüllen.

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